Young British Artists hiess eine Gruppe, die in den Neunzigern Furore machte. Es gab eine grosse Ausstellung im Hamburger Bahnhof, zerschnittene Tiere, Fotos der Eltern, die Alkoholiker waren, sowie Pillen sauber aufgereiht: ein Tableau der sezierten Brutalität, der Armut, der bösen Fassade und der kleinen Helfer, die die ramponierten Ichs noch am Funktionieren erhalten. Und das alles so cool, so chic.
Saatchi, der diese Gruppe gefördert und berühmt gemacht hatte, hatte lange mit seinem Bruder eine der grössten Werbeagenturen der Welt betrieben. Als sie Newcomer waren, war eines ihrer beworbenen Produkte Mrs.Thatcher.
London war damals heruntergekommen und rebellisch, Punks bevölkerten Camden Town, Nachts entfachten Obdachlose Feuer in Ölfässern auf den Strassen. Ecken, die jetzt trendy und chic sind waren Zonen von Abriss und Verfall, in denen handtaschengrosse Vorhängeschlösser die Türen halber Ruinen sicherten. “LABOUR ISN’T WORKING” war das Plakat, das eine endlose Schlange von Menschen vor dem Arbeitsamt zeigte und als Text hatte, “BRITAIN’S BETTER OFF WITH THE CONSERVATIVES” — ein Plakat, was gerne jetzt von den Republikanern in den USA zitiert wird und, will man böse sein, schon ikonographische Vorläufer in Deutschland vor dem zweiten Weltkrieg hatte.
Die Gebrüder Saatchi machte diese Kampagne weltberühmt und unermesslich reich — was aber die Young British Artists eigen machte, war nicht, dass Kunst als brand, als Marke, vertrieben wurde (das war seit der Renaissance so) sondern dass nun dies direkt von einem Schwergewicht der Werbebranche übernommen wurde. Selten sind Macht, Lifestyle, Hippness und Kunst so eng verwoben gewesen wie in den Young British Artists. Damien Hirst hat auch wie keine anderer später sich selber vermarktet, er gilt jetzt als einer der wohlhabendsten Künstler der Welt — Gerüchte sagen, er hätte, um den Wert zu steigern, bei der Auktion auf seinen mit Diamanten besetzten Schädel For the Love of God im Konsortium der Bieter mit gesteigert.
Die Galerie, die Saatchi in der Nähe vom Sloane Square in London betreibt, zeigt junge Kunst, und ist, wie es sich für einen Mäzen gehört, kostenlos. Man betritt ein schönes, respektables und wuchtiges Herrenhaus mit imposanten Säulen. Es sieht gediegen und sehr freundlich aus, plötzlich scheinen die Macht und die Bilder, die sie erschafft, hell zu sein, nett und gut, fast zu schön, als wären sie ein Traum. Satan, so sagte dazu ein polnischer Freund, der in London lebt, trage einen feinen Mantel.
Photo: Ausstellungsobjekt in der Saatchi Gallery, Frühjahr 2011