Empathie an das Verlieren

Erinnerung / Kunst

Es war eine der Ausstellungen, die auf den ersten Blick verloren wirkte. Die Werke hingen in einem temporär unbenutzten ehemaligen Verkaufsraum in Zehdenick, einer langsam sich entvölkernden Kleinstadt 60 Kilometer nördlich von Berlin. Der Verkaufsraum hatte sichtbar bessere Tage hinter sich, einige der häßlichen Platten, mit denen die Decke verschalt war, fehlten und gaben den Blick auf das Innenleben der Decke frei. An der blassgelb und pink gestrichenen Wand hingen Gemälde. Man sah immer wieder Ansichten eines Tisches mit überquellendem Aschenbecher, einer brennenden Kerze auf einem Stalagmit aus Wachs, Bierflaschen und Büchsen. An der Wand des gemalten Raumes hingen Bilder, sorgfältig arrangiert, auf Regalen lagen CDs, einmal standen am Boden abgetragene Turnschuhe und immer wieder erschien ein alter, vorsintflutlicher Fernseher.

Man könnte meinen Torsten Prothman, der an der H.d.K. in Berlin studiert hatte und Meisterschüler bei W. Petrick gewesen war, hätte nochmal versucht mehr als 20 Jahre nach der in Berlin als Sensation empfundenen Ausstellung Sensation der Young British Artists sich desselben Themas anzunehmen. Damals war das Zerwühlte, Kaputte als Signum des späten Kapitalismusses genommen worden.

Damien Hirst, der später einen Totenschädel mit Diamanten belegen sollte, reihte damals Tabletten sorgfältig auf Metallschienen auf, um mothers little helpers auch Gegenstand der Kunst werden zu lassen. Tracey Emin hatte mit My Bed vor 20 Jahren ihr während einer mehrtägige Depression benutztes, zerwühltes Bett in einer Ausstellung aufgebaut und dort auch ihre Unterwäsche mit Blutflecken, benutzte Kondome und allerlei anderes deponiert. Oder Richard Billingham, der seine alkoholkranken Eltern und seinen Bruder in dem Desaster eines verkommen working class Hauses fotografierte? Abgenutzte, hässliche Räume, Flaschen, auch das faltige Gesicht des alten Mannes ohne Zahnprothese, die dicke Mutter und rare Momente beider Glücks.

Den Young British Artists lag bei alledem etwas Kalkuliertes, Klares und Kaltes bei, die meisten von ihnen sind inzwischen Epigonen der neueren Kunst. Nirgendwo, außer vielleicht bei Richard Billingham, tritt die emotionslose Klarheit, mit der die Kunst das emotionale Desaster des Neoliberalismusses beschreibt, deutlicher vor Augen.

Torsten Prothmann geht einen anderen Weg. Wer genauer hinsieht spürt eine leise, feine Sehnsucht in den Bildern. PogoPeter ist der Name der Ausstellung. Das ist der Name dessen, dessen Zimmer gemalt wurde und der jetzt, psychisch erkrankt, im betreuten Wohnen lebt. Man spürt in den Bildern die Nähe zu einem Menschen, die langen Nächte, in denen über Musik debattiert wurde. Sinnlichkeit, die jetzt nur noch amtlich betreut und medikamentös verwaltet wird, findet immer noch Gegenwart in CDs und einem Bild von Marianne Faithfull. Es ist, als habe sich in den Bildern noch eine Zeit konserviert, in der erlesene Musik Ausweg und Hoffnung war, als der Hang zur Selbstzerstörung und aufgerauchte Tabakvorräte Befreiendes hatten und man noch in Westberlin zum Telefonieren eine Gaststätte suchen musste. Was jetzt blieb, war eine mäßig besuchte Vernissage in der Provinz, ein, wie man früher gesagt hätte, abgefuckter Raum, es war als wolle sich die Ausstellung insgeheim zärtlich an Jemanden schmiegen, der inzwischen einsam und in seiner Erinnerung lebt.

Die Ausstellung wurde kuratiert von Spunk Seipel. Die ersten zwei Bilder sind mit freundlicher Genehmigung aus der Webseite von Torsten Prothmann übernommen. Bild Nummer 3: Copyright Peter Wick. Auf dem kleinen Tisch steht Torsten Prothmann.

Natürlich ist bekannt, dass der Titel grammatikalisch falsch ist.