Die Mutter aller Städte

Denken / Fotografie / Theologie

Das Eigenartige ist, warum Menschen, die so dicht, arm und gedrängt leben müssen, zumindest äusserlich so freundlich sind. Und warum wir, die Menschen des reichen Westens, das urbane Desaster so pittoresk finden, als ob wir ein Leben, das einmal war, verloren haben und nicht mehr wissen, wo es noch zu finden wäre. Als ob es eine Welt gäbe, die verloren ist, obwohl sie für die anderen, die dort leben, wahrscheinlich weder schön, noch angenehm, noch erstrebenswert ist.

Mit den minima moralia als Klage über den Zustand der Welt beschwört Adorno, allerdings nur wirklich für den jüdischen Leser verständlich, angesichts der konformen Moderne das Kommen des Messias. Man müsse, sagt Adorno, mit den Augen des Messias auf die Welt sehen. Genauer gesagt, man müsse erzählen, so erzählen, dass das Leben so wahr, gegenwärtig und verzeihend sei, als blicke man durch die Augen des Messias.

Vielleicht war Adorno auch etwas depressiv in seiner Analyse, weil er, aus Berlin geflohen, in Kalifornien leben musste. Übrigens, auch Sayyid Qutb, einer der Theoretiker der Muslimbrüderschaft, war in Vierzigern des letzen Jahrhunderts wie Adorno Jahre in den USA gewesen. Allerdings kam er zu anderen Ergebnissen als Adorno nach der Erfahrung der Entfremdung, diesem so überstrapazierten Begriff, aber die Klage ist dieselbe.