Im Diözesanmuseum Freising, das sonst kirchliche und katholische Devotionalien enthält, findet sich eine überraschende Arbeit von James Turrel. Dort, wo früher die Kapelle des Knabenseminars war, ist jetzt eine Lichtinstallation, die den Raum in eine diffuse Sphäre ohne Tiefe verwandelt, nur eine Öffnung in der Wand verbleibt. Die Farbe des Lichtes wechselt, die Öffnung hat immer eine andere Farbe als der Raum. Die Besucher scheinen im Nichts zu stehen, der Raum löst sich auf, was bleibt ist, wie James Turrel sagt, „No object, no image, no point of focus.“ Mehr als alles andere erinnert dieser Raum an das Nirvana der Buddhisten und steht im krassen Gegensatz zu der sonst so haptischen Bildersprache der übrigen Exponate.
„No object, no image, no point of focus.“






In der klassischen östlichen Metaphysik wird dem Gewirr der Gedanken ein anderes Gewicht zugeordnet wie im Westen. Während im Westen Descartes das Ich als ein Produkt des Denkprozesses beschreibt, cogito ergo sum, fällt die klassische Analyse des Ichs im Osten in Wahrheit anders aus. Beide, Hindus und Buddhisten, halten das Tagesbewusstsein, den Stream of Consciousness, für eine vorübergehende Geschichte. Nicht nur, weil der Strom des Bewusstseins oft bald vergessen wird, sondern auch weil das Ich, also der Stream of Consciousness, irgendwann aufgegeben werden muss, will man den andauernden leidvollen Inkarnationen entkommen. Die Hindus nehmen eine Art feinstofflichen Leib an, der eine ewige Seele, das Atman, begleitet. Für die Hindus ist der feinstoffliche Leib Sitz der Emotionen, des Intellekts und des Gedächtnisses, ein Begleiter, der den Atman an die Erde bindet und gefangen hält.
Aber was bleibt dann, wenn der feinstoffliche Leib erloschen ist? Was ist die Auslöschung des Ichs? Saccidananda, Glück und Gegenwart, sagen Hindus. Aber wer nimmt das war? Wer ist das, wenn das Ich erloschen ist?
Auch für die Buddhisten ist das Ich nur ein Fluß der Skandhas, also der temporären Emotionen und Gedanken, und keinerlei dauerhafte Substanz. Im Buddhismus erscheint das Denken als Ahamkara, als der mit Emotionen und Wünschen gemeinsame Produzent des Ich. Das Ahamkara ist gleichzeitig der Produzent des Karma und letzteres das der Ursprung des Leidens. Dieses Ich ist nicht statisch, sondern das Produkt eines ständigen Prozesses, der gedanklichen Muster, die entstehen und wieder neue Muster hervorbringen, eine Kette des Denkens, des Verhaltens und der Reaktionen, die wieder neue Gefankenmuster und Verhaftungen erschaffen. In oberflächlicher Interpretation mag das Nirvana, also das Ende des Ichs und des Karma, als völliger Nihilismus, als ichlose und passive Negation, erscheinen, aber Buddha ist dialektisch viel zu geschickt, um eine derartige Falle zuzulassen.
Buddha weist nur die Frage, ob es jenseits der Gedanken ein Selbst gäbe, zurück. Jeder Gedanke daran würde nur das Ahamkara stärken und nicht den Zyklus des Leidens beenden. Und, würde man in dem Moment des Eintritts ins Nirvana denken, würde man wieder in das Ich wechseln. Man wäre wieder in der Sphäre, die Descartes abgesteckt hat.
Der Sprung geht für die, die in der Tradition des Westens denken, ins Nichts.
Die Tibeter haben in ihrem Totenbuch, dem Bardo Thödröl, den Eingang ins Nirvana mit der Vereinigung mit dem weißen Licht verglichen. Nach dem Tode warte auf die Glücklicheren ein weisses Licht und wer es schaffe dem klaren Licht standzuhalten und nicht mehr durch die Tätigkeit der Gedanken oder Verhaftungen abzustürzen, der sei erlöst.
Er oder sie stirbt den endgültigen Tod. Der Rest muss die Schutzgötter meditieren und sich vor falschen Verhaftungen schützen, da nun die Klasse gewählt wird, in der nachgesessen wird.
Davor sollte man sich bewahren.
Das Zitat von James Turrel ist der Webseite des Diözesanmuseums Freising entnommen. Das geplante Kuppelfresko entspricht gängigen christlichen Bildern vom Jenseits. Worauf diese beruhen kann im Letzten nicht beantwortet werden, ob sie den transzendenten „Himmel“ oder nur dessen Pforte beschreiben wollen auch nicht.