Unterschwellige Islamophobie trägt den Mantel des falschen Respektes

Theologie

Allah ist mit den Standhaften, Begegnungen mit der islamischen Revolution, hiess eines der vielen Bücher, die Peter Scholl-Latour verfasst hatte. Damals, 1983, war der erste Golfkrieg, fanatische junge Männer auf iranischer Seite rissen sich die Hemden auf, bevor sie mit nackter Brust auf die Minenfelder und verbunkerten Soldaten auf irakischer Seite losstürmten. Als Inkarnation des Fanatismus schien der greise, humorlose Ajatollah Chomeini über ein Land voll religiösem Fanatismus zu herrschen, während in Afghanistan Mudschahedin gegen die sowjetische Besatzungsmacht kämpften und dabei offen von den USA unterstützt wurden. Seitdem hat sich eingebürgert, dass in deutschen Medien, wenn Muslime von Gott sprechen, das Wort Allah verwandt wird. Das erscheint auf den ersten Blick als korrekt und freundlich, spricht der Koran doch von Allah und ist dies nicht eine Verneigung vor einem fremden Sprachgebrauch? Oder trägt den Mantel des falschen Respektes etwa doch unterschwellige Islamophobie? Mitnichten ist es ein Zeichen des Respektes, es ist genau genommen ein diskreter Hinweis darauf, dass diejenigen, die es verwenden, religiös und ethisch nicht satisfaktionsfähig sind, weil ihre himmlische Herrschaft nicht die unsere ist. Natürlich, das ist gut verbrämt und scheinbar interkulturell formuliert. Es ist angeblich so höflich, dass offenbar alle sich bemüßigt fühlen, Allah zu verwenden, wenn der Koran oder Muslime von Gott reden. Natürlich ist diese scheinbare Höflichkeit ein Irrtum in der Kategorie der Worte, Allah ist das arabische Wort für Gott, auch arabische Christen rufen mit diesem Wort Gott an, es ist also kein Eigenname, sondern nur eine Bezeichnung für die mögliche letzte, unbeschreibliche Wirklichkeit, eben jene, die die Gläubigen auf Deutsch Gott nennen. In Allah ist auch derselbe Wortstamm enthalten, der im hebräischen El wiederkehrt, was Gott bedeutet. Selbst JHWH, was viele für den Namen eines bösen rachsüchtigen Stammesgottes im Alten Testament halten, ist in Wahrheit kein Eigennahme, es ist, genauer gesagt, die Verweigerung dessen, weswegen fromme Juden ihn niemals aussprechen dürfen.

Und nun kommt der zweite, unappetitliche Teil des Exkurses, wobei die Muslime immer noch im Blick bleiben:

Juden und Deutsche oder Deutsche und Juden hatten 1981 und 1992 die Titel eines Spiegel und eines Spiegel Spezial geheissen, womit die Redakteure wahrscheinlich ohne jede böse Absicht brav in der Überschrift ein Postulat des Dritten Reiches umgesetzt hatten, nämlich dass Deutsche keineswegs Juden und zugleich Deutsche sein könnten (Einzelheiten, ob die fehlende Schnittmenge verbal zu berücksichtigen sei, lernt man mit der Mengenlehre). Genauso wie das Hamburger Magazin mit diesen Überschriften allein durch die Wortwahl nochmals die Juden aus dem deutschen Volksraum entsorgt hatte und ein klassisches Beispiel von unbewusstem Antisemitismus geliefert hatte, so fliegen für nichtmuslimische Leser die Muslime mit Allah aus dem Raum des religiös oder gesellschaftlich gemeinsamen Erbes und werden in die Kammer der Irrgläubigen und Götzenanbeter entsorgt. Sie, die Muslime, haben ja einen anderen Gott, einen, der, was dabei nur angedeutet wird, ethisch nicht kompatibel ist. Was für ein Irrtum, nur weil man nicht Arabisch kann! Noch Lessing liess Juden, Christen und Muslime denselben Gott haben, aber nun, zweihundert Jahre später, sind die geistigen Gräben frisch ausgehoben und eine unterschwellige Islamophobie trägt den Mantel des falschen Respektes, der die Einen von den Anderen trennt.

Leider folgt jetzt ein trister Aspekt der Sache, die ebenso beschränkte Sicht vieler Muslime.

Auch Muslime vergessen, wenn sie Allah als Eigennamen reklamieren, ihre eigene Tradition. Wenn es die letzte Wirklichkeit, Gott, geben sollte, braucht sie keinen Eigennamen, einfach deswegen, weil sie einzig ist und jeder Name eine Definition wäre, was eine den Menschen nicht zustehende begriffliche oder bildliche Beschreibung des Einen wäre. Das ist etwas, was frühere Generationen immer verstanden hatten, da Metaphysik in allen Kulturen zur Bildung gehört hatte. Das scheint vorbei zu sein, der intellektuelle Verfall der muslimischen Welt spiegelt sich auch an dem wachsenden Gebrauch des vermeintlichen Namen Gottes. Wenn unwissende Muslime heute Allah nun als Namen und damit fast als Markenlabel reklamieren, haben auch sie aus dem eben nicht fassbaren transzendenten Einem ein Produkt gemacht, das auf dem Markt der Religionen und Ideologien als eingetragener Markenartikel gebrandet ist. Sie verschliessen damit vor allem die Tür zu dem geistigen Raum der Mystik und der Metaphysik, in dem mehr als ein halbes Jahrtausend lang kluge Juden, Christen und Muslime gemeinsam sich darüber ausgetauscht hatten, was, in der Sprache der damaligen Theologie, das Eine und die Vielen für die Vielen bedeuten könnte — ein Satz, den heute kaum jemand mehr verstünde.

Foto: Moschee Kreuzberg. Auf die Baustelle wurde 2014 ein Brandanschlag verübt, der Staatsschutz hat nie den Täter gefunden