Als Vernon Wayne Howell 1981 zu den Branch Davidians stiess, war er ein junger, schlanker Mann, der relativ gut Gitarre spielte, lange Haare hatte, schmutzige Jeans trug und eine begrenzte Bildung hatte. Die Branch Davidians waren eine Abspaltung der Sieben Tages Adventisten, die wegen ihrer Radikalität aus der Kirche ausgeschlossen worden waren. Sie waren der Anschauung, dass nach dem zweiten Kommen Christi das tausendjährige Reich des Friedens anbräche, und lebten in einer gespannten Erwartung, dass dies unmittelbar bevorstünde.
Vernon Wayne Howell war kein charismatischer oder glatter Prediger, aber er lebte geistig in der Welt der Bibel, über die er lange referieren konnte und wollte. Er nannte sich David Koresh und glaubte, derjenige zu sein, der als Lamm die Siegel der Offenbarung öffnen würde. Koreshs Fokus lag, wie der vieler Endzeitgläubigen, auf der Apokalypse des Johannes mit ihren sieben Buchrollen, in denen die Antwort über alle Fragen der Endzeit aufgeschrieben waren. Die Gruppe bewohnte in Waco, Texas, ein grosses Haus, Mount Carmel, auf Videoaufnahmen, die 1993 bei dem späteren Sturm auf Waco gemacht wurden, sieht man ein karges, düsteres, großes Gebäude, was inmitten einer trostlosen Weite steht. Es gab kaum Bäume, wenig, das an Ästhetik oder Poesie erinnert, das Haus wirkte wie ein militärischer Posten. Trotzdem war die Gruppe auf vielfältige und durchaus sehr erfolgreiche Weise mit der Aussenwelt verbunden. Viele der Gemeinschaft arbeiteten auswärts oder hatten eigene Geschäfte, darunter einen Waffenhandel. Und der machte das Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms stutzig, man argwöhnte, heimlich würden aus halbautomatischen Waffen automatische gemacht, was verboten war. Das ATF begann Undercoveragenten zu entsenden, die allerdings von der Gruppe enttarnt wurden. Es gab Versuche der Missionierung, auch warnten die Agenten das ATF vor einem gewaltsamen Sturm auf das Gebäude. Doch die Behörden in den USA waren nervös, es hatten am 26. Februar 1993 muslimische Terroristen erfolglos versucht das World Trade Center zu sprengen und möglicherweise zehntausende Menschen zu töten. Der erste Sturm auf das Gebäude in Waco am 28. Februar 1993 misslang, es gab Tote und Verletze auf beiden Seiten. Was dann folgte, waren Verhandlungen, verwundete Agenten wurden entlassen und das FBI wurde eingeflogen. Das FBI übernahm am 1. März die Verhandlungen, am 2. März schien Koresh bereit, das Gebäude mit seinen Anhängern zu verlassen, man bereitete eine Tragbahre vor, um ihn abzuholen, da er verwundet worden war. Doch dann kam niemand heraus, angeblich, so Koresh, habe Gott ihm die Erlaubnis zur Aufgabe versagt. Und David Koresh erklärte die Davidianer als unabhängig. Es wurde trotzdem weiter verhandelt, als Tauschmittel wurde Milch für die Kinder angeboten und gleichzeitig versucht, möglichst viele Kinder heraus zu bekommen. Die eigenen Kinder aber wollte Koresh bei sich behalten. In einem Video sieht man David Koresh mit seinen kleinen Kindern, der sich eine martialisch wirkende Sonnenbrille für Piloten aufsetzt und sagt, er würde um seine Familie zu verteidigen, jedes mal an der Tür warten, wobei er wohl bewaffnet sein wollte. Es gab öffentlich gesendete Ansprachen David Koreshs, man verhandelte über einen fairen Prozess. Für das FBI war alles zunehmend nur „Bible-babble”, man sah in Koresh einen egozentrierten Lügner und Kinderschänder. Janet Reno wurde am 12. März als Justizministerin der USA eingeschworen, sie übernahm die Verantwortung im Rahmen des Regierungsantritts von Präsident Clinton. Die Belagerung dauerte insgesamt 51 Tage und wurde zu einem Medienspektakel, gepanzerte Mannschaftstransporter und als Sturmfahrzeuge umgerüstete Kampfpanzer wurden in Stellung gebracht und es versammelten sich mehr als 880 Polizisten und Soldaten. Demonstrativ begannen Panzer Autos der Davidianer zu zerstören und die Telefonleitungen zu dem Komplex der Davidianer wurden gekappt. In den Medien wurde Koresh als Diktator seiner Gläubigen dargestellt. Am 12. April wurden Janet Reno Pläne, das Haus mit Hilfe von Tränengas zu stürmen, vorgestellt. Man vermutete, die Davidianer hätten Vorräte, um ein Jahr Belagerung zu überstehen.
Vernon Wayne Howell war kein charismatischer oder glatter Prediger, aber er lebte geistig in der Welt der Bibel, über die er lange referieren konnte und wollte. Er nannte sich David Koresh und glaubte, derjenige zu sein, der als Lamm die Siegel der Offenbarung öffnen würde. Koreshs Fokus lag, wie der vieler Endzeitgläubigen, auf der Apokalypse des Johannes mit ihren sieben Buchrollen, in denen die Antwort über alle Fragen der Endzeit aufgeschrieben waren. Die Gruppe bewohnte in Waco, Texas, ein grosses Haus, Mount Carmel, auf Videoaufnahmen, die 1993 bei dem späteren Sturm auf Waco gemacht wurden, sieht man ein karges, düsteres, großes Gebäude, was inmitten einer trostlosen Weite steht. Es gab kaum Bäume, wenig, das an Ästhetik oder Poesie erinnert, das Haus wirkte wie ein militärischer Posten. Trotzdem war die Gruppe auf vielfältige und durchaus sehr erfolgreiche Weise mit der Aussenwelt verbunden. Viele der Gemeinschaft arbeiteten auswärts oder hatten eigene Geschäfte, darunter einen Waffenhandel. Und der machte das Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms stutzig, man argwöhnte, heimlich würden aus halbautomatischen Waffen automatische gemacht, was verboten war. Das ATF begann Undercoveragenten zu entsenden, die allerdings von der Gruppe enttarnt wurden. Es gab Versuche der Missionierung, auch warnten die Agenten das ATF vor einem gewaltsamen Sturm auf das Gebäude. Doch die Behörden in den USA waren nervös, es hatten am 26. Februar 1993 muslimische Terroristen erfolglos versucht das World Trade Center zu sprengen und möglicherweise zehntausende Menschen zu töten. Der erste Sturm auf das Gebäude in Waco am 28. Februar 1993 misslang, es gab Tote und Verletze auf beiden Seiten. Was dann folgte, waren Verhandlungen, verwundete Agenten wurden entlassen und das FBI wurde eingeflogen. Das FBI übernahm am 1. März die Verhandlungen, am 2. März schien Koresh bereit, das Gebäude mit seinen Anhängern zu verlassen, man bereitete eine Tragbahre vor, um ihn abzuholen, da er verwundet worden war. Doch dann kam niemand heraus, angeblich, so Koresh, habe Gott ihm die Erlaubnis zur Aufgabe versagt. Und David Koresh erklärte die Davidianer als unabhängig. Es wurde trotzdem weiter verhandelt, als Tauschmittel wurde Milch für die Kinder angeboten und gleichzeitig versucht, möglichst viele Kinder heraus zu bekommen. Die eigenen Kinder aber wollte Koresh bei sich behalten. In einem Video sieht man David Koresh mit seinen kleinen Kindern, der sich eine martialisch wirkende Sonnenbrille für Piloten aufsetzt und sagt, er würde um seine Familie zu verteidigen, jedes mal an der Tür warten, wobei er wohl bewaffnet sein wollte. Es gab öffentlich gesendete Ansprachen David Koreshs, man verhandelte über einen fairen Prozess. Für das FBI war alles zunehmend nur „Bible-babble”, man sah in Koresh einen egozentrierten Lügner und Kinderschänder. Janet Reno wurde am 12. März als Justizministerin der USA eingeschworen, sie übernahm die Verantwortung im Rahmen des Regierungsantritts von Präsident Clinton. Die Belagerung dauerte insgesamt 51 Tage und wurde zu einem Medienspektakel, gepanzerte Mannschaftstransporter und als Sturmfahrzeuge umgerüstete Kampfpanzer wurden in Stellung gebracht und es versammelten sich mehr als 880 Polizisten und Soldaten. Demonstrativ begannen Panzer Autos der Davidianer zu zerstören und die Telefonleitungen zu dem Komplex der Davidianer wurden gekappt. In den Medien wurde Koresh als Diktator seiner Gläubigen dargestellt. Am 12. April wurden Janet Reno Pläne, das Haus mit Hilfe von Tränengas zu stürmen, vorgestellt. Man vermutete, die Davidianer hätten Vorräte, um ein Jahr Belagerung zu überstehen.
„But you don’t realize that there is guns a billion times bigger than yours pointed at you” (Band 28:9-10). Die Drohungen, die David Koresh aussprach, bezogen sich für ihn auf die Zeichen der Zeit, die drohnende Apokalypse. Das FBI, ganz prosaisch, vermutete hinter den Drohungen Waffen, die die Agenten nicht hatten finden können. Auch das bewog die Einsatzleitung, stürmen zu lassen. Alles scheiterte. Als das FBI den sexuellem Missbrauch von Kindern andeutete gab Janet Reno die Erlaubnis, das Gebäude zu stürmen. Am 19. April wurde das Gebäude gestürmt. 74 Menschen verbrannten bei lebendigem Leib, darunter auch Frauen und 25 Kinder. Angeblich hatten die Davidianer die Türen von innen verrammelt, nur wenige entkamen.
Gläubige, die angesichts der Endzeit auf einen neuen David hofften, und Vertreter der herrschenden Macht trafen aufeinander: Ein Muster des Fundamentalismus, das sich seit mehr als zweitausend Jahren treulich wiederholt hat. Waco ist nur eines der Beispiele für ähnliche Konfrontationen chiliastischer Erregung und klaren Staatsinteressen. Schon zur Zeit Jesu waren ähnliche Muster des Denkens am Werke gewesen, weswegen vierzig Jahre nach dem Tode Jesu Israel in eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes geraten war. Die Geschichte dieses Krieges hatte Flavius Josephus, ein jüdischer Überläufer, zeitgleich mit den letzten Evangelien verfasst, nachdem 30.000 Berufssoldaten mit ebenso vielen Hilfstruppen in jahrelangen Kämpfen einen Aufstand niedergerungen hatten. Was heute so nach besserer Polizeiarbeit klingen mag, bedeutete damals, dass hilflose Teenager zur Abschreckung neben ihren Vätern gekreuzigt und Köpfe von Babys an Pfosten zerschmettert wurden, falls die Armee auf Widerstand stiess. Rechtzeitig geflohene Überlebende standen traumatisiert zwischen den Trümmern ihrer eingestürzten Häuser, während ihre Verwandten mit aufgedunsenen Bäuchen ringsum verteilt auf ihr Begräbnis warteten. Vespasian, der später Kaiser wurde, hatte die Politik der verbrannten Erde befohlen. Es dauerte Jahre, bis Roms Armee wieder die Oberhand hatte, auch weil nach Neros Selbstmord Thronwirren den Kampf unterbrachen und Vespasian mit seinen Truppen nach Rom zog. Nachdem Vespasian Kaiser geworden war, beauftragte er seinen Sohn Titus, endlich Jerusalem zu erobern. Als die Stadt am Pessachfest voller Pilger war, wurden laut Flavius Josephus im Jahre 70 n. Chr. Hunderttausende Menschen von der anrückenden Berufsarmee eingeschlossen. Niemand entkam, die belagerte Stadt war eine Falle, in der die Radikalen die Herrschaft an sich rissen. Zu Tausenden wurden die, die sich vor dem Terrorregime in der Stadt und dem Hunger zu den Römern flüchten wollten, gekreuzigt. Hinter den Mauern dürften sich Szenen wie bei der Belagerung Leningrads durch die Nazis abgespielt haben, Leichen verhungerter Menschen füllten Straßen und Häuser. Als die Stadt erobert war, wurde der Tempel zerstört, der Tempelschatz geplündert und die Überlebenden auf dem Sklavenmarkt verkauft.
„Solitudinem faciunt, pacem apellant”, sie haben eine menschenleere Wüste geschaffen und nannten es Frieden, lautet ein Zitat von Tacitus, das die gängige imperiale Praxis des imperium romanum beschreiben will. Doch in den drei jüdischen Kriegen kam im Gegensatz zu den Gemetzeln auf dem Balkan und in Spanien die Mythologie der radikalen Fraktionen des damaligen Judentums dazu. Es ist die Erzählung vom kommenden Messias und dem letzten Kampf zwischen dem Volke Gottes und dem Wesen aus dem Abgrund, welche die ideologische und spirituelle Munition für die sinnlosen Gemetzel geliefert hatte. Ohne diese Erzählung des Judentums wären das Christentum und der Islam nie entstanden. Als Atheist vergisst man leicht, dass Marx und Adorno ebenfalls treulich auf ihren Spuren wandeln, dass die Fäden, die diese Erzählung mit unserer Zeit verbinden, in Wahrheit das Gewebe unseres geistigen Horizontes bilden.
Mehr dazu in meinem Essay
Gläubige, die angesichts der Endzeit auf einen neuen David hofften, und Vertreter der herrschenden Macht trafen aufeinander: Ein Muster des Fundamentalismus, das sich seit mehr als zweitausend Jahren treulich wiederholt hat. Waco ist nur eines der Beispiele für ähnliche Konfrontationen chiliastischer Erregung und klaren Staatsinteressen. Schon zur Zeit Jesu waren ähnliche Muster des Denkens am Werke gewesen, weswegen vierzig Jahre nach dem Tode Jesu Israel in eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes geraten war. Die Geschichte dieses Krieges hatte Flavius Josephus, ein jüdischer Überläufer, zeitgleich mit den letzten Evangelien verfasst, nachdem 30.000 Berufssoldaten mit ebenso vielen Hilfstruppen in jahrelangen Kämpfen einen Aufstand niedergerungen hatten. Was heute so nach besserer Polizeiarbeit klingen mag, bedeutete damals, dass hilflose Teenager zur Abschreckung neben ihren Vätern gekreuzigt und Köpfe von Babys an Pfosten zerschmettert wurden, falls die Armee auf Widerstand stiess. Rechtzeitig geflohene Überlebende standen traumatisiert zwischen den Trümmern ihrer eingestürzten Häuser, während ihre Verwandten mit aufgedunsenen Bäuchen ringsum verteilt auf ihr Begräbnis warteten. Vespasian, der später Kaiser wurde, hatte die Politik der verbrannten Erde befohlen. Es dauerte Jahre, bis Roms Armee wieder die Oberhand hatte, auch weil nach Neros Selbstmord Thronwirren den Kampf unterbrachen und Vespasian mit seinen Truppen nach Rom zog. Nachdem Vespasian Kaiser geworden war, beauftragte er seinen Sohn Titus, endlich Jerusalem zu erobern. Als die Stadt am Pessachfest voller Pilger war, wurden laut Flavius Josephus im Jahre 70 n. Chr. Hunderttausende Menschen von der anrückenden Berufsarmee eingeschlossen. Niemand entkam, die belagerte Stadt war eine Falle, in der die Radikalen die Herrschaft an sich rissen. Zu Tausenden wurden die, die sich vor dem Terrorregime in der Stadt und dem Hunger zu den Römern flüchten wollten, gekreuzigt. Hinter den Mauern dürften sich Szenen wie bei der Belagerung Leningrads durch die Nazis abgespielt haben, Leichen verhungerter Menschen füllten Straßen und Häuser. Als die Stadt erobert war, wurde der Tempel zerstört, der Tempelschatz geplündert und die Überlebenden auf dem Sklavenmarkt verkauft.
„Solitudinem faciunt, pacem apellant”, sie haben eine menschenleere Wüste geschaffen und nannten es Frieden, lautet ein Zitat von Tacitus, das die gängige imperiale Praxis des imperium romanum beschreiben will. Doch in den drei jüdischen Kriegen kam im Gegensatz zu den Gemetzeln auf dem Balkan und in Spanien die Mythologie der radikalen Fraktionen des damaligen Judentums dazu. Es ist die Erzählung vom kommenden Messias und dem letzten Kampf zwischen dem Volke Gottes und dem Wesen aus dem Abgrund, welche die ideologische und spirituelle Munition für die sinnlosen Gemetzel geliefert hatte. Ohne diese Erzählung des Judentums wären das Christentum und der Islam nie entstanden. Als Atheist vergisst man leicht, dass Marx und Adorno ebenfalls treulich auf ihren Spuren wandeln, dass die Fäden, die diese Erzählung mit unserer Zeit verbinden, in Wahrheit das Gewebe unseres geistigen Horizontes bilden.
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